Namensbeitrag

Lindlohr: langfristig planen, dynamisch handeln – So werden unsere Städte nachhaltig

Eine Gruppe Fahradfahrer fahren durch die Stadt
Andrea Lindlohr MdL Staatssekretärin im Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen Baden-Württemberg

Der Text erschien am 21.01.22 als Blogbeitrag von Staatssekretärin Andrea Lindlohr MdL auf DER BLOG

Wo und wie wir leben und wohnen prägt uns – es prägt unsere individuellen Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben, es prägt unsere Teilhabe an der Gesellschaft, unseren Ressourcenverbrauch, unseren Anteil an und unser Erleben der Klimakrise.

Bei der Verwirklichung der Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen spielen unsere Städte und Gemeinden darum eine entscheidende Rolle. Als Orte baulicher, kultureller und sozialer Verdichtung leisten sie einen gewichtigen Beitrag bei der Transformation zu „einer gerechten, grünen und produktiven Gesellschaft“, wie es in der Präambel zur „Neuen Leipzig-Charta“ beschrieben ist. Der Landespolitik kommt durch die enge Beziehung zu den Kommunen dabei eine wichtige Aufgabe zu.

Dynamische Städte brauchen langfristige Planung

Langfristigkeit ist ein Schlüsselbegriff für die Nachhaltigkeit unserer Städte und Gemeinden. Das klingt erstmal paradox, denn die Klimakrise, soziale Umbrüche und auch die Pandemie sind dynamische Schocks. Aber nur mit einer langfristigen Entwicklungsplanung können wir die Städte und Gemeinden für dynamische Veränderungen aufstellen.

Zum Beispiel beim Thema Flächenverbrauch: Innenentwicklung vor Außenentwicklung - dieses Prinzip hat in Deutschland gesetzlichen Rang. Es erledigt sich aber nicht von alleine. Es braucht einen Plan, um zügig alle Potenziale im Innenbereich zu finden und zu nutzen, sei es auf brachliegenden oder untergenutzten Flächen oder um vorhandene Gebäude umzunutzen.

Das treiben wir in Baden-Württemberg gezielt voran. Die Städtebauförderung, das große Gemeinschaftsinstrument von Bund, Ländern und Kommunen, können wir gezielt für das Flächensparen und die Nachverdichtung einsetzen. So sind zum Beispiel auch Dachgeschossaufstockungen für mehr Wohnraum in Baden-Württemberg förderfähig. Wohninnovationen in Lücken fördern wir mit der Patenschaft Innovativ Wohnen. Und dass die Gemeinden in Baden-Württemberg ab 2025 mit der Grundsteuer C einen gesonderten Hebesatz für baureife, unbebaute Grundstücke erheben können, wird zum Ziel beitragen.

Das Ziel - das kennen wir alle: Eine „Stadt der kurzen Wege“ mit gemischten Nutzungen, intelligenten Mobilitätskonzepten und qualitativen öffentliche Räumen.

In Zentren leben und leben lassen

Städte und Gemeinden werden von ihren Zentren prägt. Die Pandemie hat den Umbruch gerade im stationären Handel beschleunigt. Jetzt ist die Zeit, um das Wohnen in unseren Zentren zu stärken, um den Handel bei hybriden Konzepten zu unterstützen und um neuen Arbeitsformen, Gründerinnen und Gründer und der Kultur Raum zu geben. Und um die öffentliche Räume aufzuwerten. Sie brauchen Schatten und Wasser, damit wir sie zukünftig noch nutzen können. Sie haben eine soziale und eine zutiefst demokratische Funktion. Wir brauchen sie als Aufenthalts- und Begegnungsraum, auch als Kundgebungsraum für alle Bevölkerungsgruppen - für inklusive, sichere, widerstandsfähige und nachhaltige Städte im Sinne der SDGs.

Die Mischung macht‘s - auch beim Wohnen

Wo es viele und gute Arbeitsplätze gibt, da wird das Wohnen teuer - weltweit. Die öffentliche Hand muss dafür sorgen, dass die Mischung stimmt - eine Stadt ohne Erzieherinnen, Krankenpfleger oder Alleinerziehende ist keine (nachhaltige) Stadt.
Die Wohnraumförderung steht deshalb zu Recht bei Bund und Ländern wieder im Fokus. Mit der Wohnraumförderung machen wir als Land ein wichtiges Angebot für mehr sozial gebundenen Wohnraum. Wir entwickeln sie weiter, steigern die Attraktivität und bauen die Langfristigkeit aus. Und der Grundstücksfonds Baden-Württemberg als bisher bundesweit einmaliges Zwischenerwerbsmodell ermöglicht den Kommunen, Flächen für das Wohnen zu sichern. Wir verhelfen ihnen damit beim Einstieg oder zur Wiederbelebung einer aktiven Bodenpolitik.

Klimaschutz braucht Bauwende

Stolze 28% aller CO2-Emissionen in Deutschland, so der Schätzwert der Bundesregierung, werden durch Gebäude verursacht, wenn man das Errichten der Gebäude inklusive Baustoffe und ihren Betrieb inklusive Wärme und Strom gemeinsam betrachtet.

Gebäude haben eine lange Nutzungsdauer. Wir müssen ihren gesamten Lebenszyklus betrachten und eine Kreislaufwirtschaft in Gang bringen. Dies bedeutet, dass Gebäude nach ihrer Nutzungsdauer nicht als Sondermüll auf der Deponie enden dürfen, sondern dass diese dekomponiert und wiederverwertet werden können. Es ist eine Aufgabe für Planerinnen und Planer, aber auch für die Industrie, recyclebare Bauteile bzw. Baustoffe auf den Markt zu bringen sowie Recyclingprozesse aufzusetzen. Die Digitalisierung kann hierzu einen Beitrag leisten. Und es ist Aufgabe der Politik, unser Bauordnungsrecht zum Ermöglicher neuer alter Baustoffe zu machen.

Mehr Chancen für das Holz als nachwachsendem Baustoff - auch das haben wir uns mit einem entschlackten Bauordnungsrecht und der Holzbauoffensive in Baden-Württemberg auf die Fahne geschrieben. Neben hervorragenden Eigenschaften bei der Tragfähigkeit und Wärmedämmung eignet sich Holz auch ideal, um den Gebäudebestand aufzustocken und so Neubau zu vermeiden. Auch die IBA´27 Stadtregion Stuttgart als wichtiges Instrument der Stadtentwicklung in Baden-Württemberg adressiert diese Themen in ihren Projekten.

Ressourcen schonen heißt allerdings auch: Umnutzung geht vor Abriss! Der Abriss von bestehenden Gebäuden darf nicht mehr die erste Option sein.

Die nachhaltige Stadtentwicklung anpacken

Wir können die Vision aus der Neuen Leipzig-Charta in unseren Städten und Gemeinden umsetzen. Wir alle - von der Stadtbaumeisterin über den Handels- und Gewerbeverein, über die Beschäftigten und Unternehmen, über die Kulturschaffenden bis zur Landespolitik und der Industrie wissen, wie das geht. Denn mit dem Konzept der Europäischen Stadt, die zusammenführt und wertvolle Ressourcen effizient nutzt, ist dieses Leitbild tief kulturell in uns verankert. Transparente, partizipative Prozesse machen dabei Lust, den Wandel vor Ort zu gestalten: greifbar, inklusiv und gemeinschaftsstiftend.

Porträt von Ministerin Nicole Razavi

Nicole Razavi

Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen

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