Der Landtag von Baden-Württemberg hat am 8. November 2023 den Gesetzentwurf der Landesregierung zur Digitalisierung baurechtlicher Verfahren in zweiter Lesung verabschiedet. Damit ist der Weg zum „Virtuellen Bauamt“ frei.
Die entsprechenden Änderungen der Landesbauordnung sind am 25. November 2023 in Kraft getreten.
Virtuelles Bauamt
Die Plattform „Virtuelles Bauamt Baden-Württemberg (ViBa BW)“ wird seit November 2022 von Pilotkommunen erprobt und dabei auch den landesrechtlichen Voraussetzungen angepasst. Fast alle Baurechtsbehörden im Land haben sich angemeldet. Seit Sommer laufen die ersten Tests unter Realbedingungen im Beta-Testbetrieb.
Das Virtuelle Bauamt ist eine End-to-End-Lösung: von der Antragsstellung, über die Beteiligung von Behörden, Bearbeitung des Vorgangs bis zur Bekanntgabe der Entscheidung sollen alle Verfahrensschritte digital erfolgen. Herzstück ist der digitale Vorgangsraum – ein Bereich, in dem Bauherr, Bauamt und alle anderen betroffenen Behörden direkt und simultan am Antrag arbeiten können. Das macht die Antragsbearbeitung nicht nur schneller, sondern auch komfortabler. Das Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen setzt beim Virtuellen Bauamt auf die Nachnutzung des „Digitalen Bauantrags“ aus Mecklenburg-Vorpommern im Sinne des „Einer-für-Alle-Prinzips (EfA)“. Dabei entwickelt ein Bundesland eine Software, die alle Bundesländer dann nutzen können.
FAQ zum Virtuellen Bauamt
Weitere häufig gestellte Fragen und Antworten finden Sie in dieser Aufstellung (PDF).
Wie verhält es sich bei einem Bauantrag, dem die gesonderten AAB-Anträge nicht beigefügt sind: Sind die Baurechtsbehörden verpflichtet, diese nachzufordern? Sind die Bauvorlagen dann unvollständig im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2 LBO? Ist der Antrag unvollständig und kann deshalb zurückgewiesen werden, wenn AAB-Anträge fehlen oder ist der Bauantrag wegen eines inhaltlichen Fehlers (§ 54 Absatz 1 Satz 3 LBO) abzulehnen?
(Vorschrift: § 53 I 3)
Die Regelung des § 53 I 3 LBO stellt klar, dass AAB gesondert zu beantragen sind. Sie können daher nur auf Antrag verbeschieden werden. Durch die generelle Antragspflicht werden Antragsteller dazu angehalten, diese sorgfältig zu prüfen – schon deshalb, weil die Anträge den Rahmen für die Angrenzerbenachrichtigung bilden (§ 55 I 1 LBO).
AAB-Anträge sind – wie bislang auch – weder Teil der Bauvorlagen noch des Bauantrags. Bei fehlenden AAB-Anträge sollen die Baurechtsbehörden dem Bauherrn Gelegenheit zur Nachbesserung geben (vgl. § 54 I 3 LBO). Der Bauherr kann dann entscheiden, ob er einen Antrag stellt oder die Bauvorlagen abändert. Über den Bauantrag ist inhaltlich zu entscheiden, notfalls auch ohne Ausspruch zu den AAB (vgl. § 58 I 4 LBO).
Ist die Angrenzerbenachrichtigung gem. § 55 Abs. 1 LBO nachzuholen? Wird dann einfach entsprechend eine erneute Benachrichtigung mit weiterem Personenkreis gestartet?
(Vorschrift: § 53 I 3)
Grundsätzlich ist bei nachträglichen AAB-Anträgen von nachbarschützenden Vorschriften eine unterbliebene Angrenzerbenachrichtigung nachzuholen.
Erfolgte bereits eine Angrenzerbenachrichtigung, ist diese ggf. hinsichtlich weiterer betroffener Angrenzer nachzuholen. Sie braucht gegenüber den (gleichen) Angrenzern wegen weiterer AAB-Anträge jedoch nicht wiederholt zu werden.
Ist es zulässig, im Rahmen der Angrenzerbenachrichtigung weitere, also nicht von einem Verstoß betroffene Angrenzer zu beteiligen, so dass diese in Hinblick auf mögliche Einwendungen, z.B. wegen des Rücksichtnahmegebots, präkludieren?
(Vorschrift: § 55 I 1)
Nein. Die fakultative Angrenzerbenachrichtigung sieht das Gesetz nicht mehr vor. Die Angrenzer oder sonstigen Nachbarn erlangen in solchen Fällen (d.h. beschränkter oder gar kein AAB-Antrag) vom Vorhaben Kenntnis, da ihnen die baurechtliche Entscheidung zuzustellen/bekanntzugeben ist, wenn ihre öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange durch das Vorhaben berührt sein können (§ 58 I 7 LBO).
Die Neuregelung erfordert, dass die uBB mit Erteilung der Baugenehmigung alle angrenzenden Eigentümer (über das elektr. Grundbuch) und deren Adressen ermitteln muss. Das erfordert zusätzliche Ressourcen, die nicht vorhanden sind. Gemäß VwV LBO-Vordrucke wird der schriftliche Teil des Lageplanes (Anlage 5) als Bauvorlage verbindlich eingeführt. In Ziffer 5 des schriftlichen Teils des Lageplans sind Angaben zu den Nachbargrundstücken (Flurstück, Straße, Haus-Nr., Eigentümer/in (bei Eigentümergemeinschaften: Verwaltung) zu machen. Es stellt sich die Frage, ob Angaben zu den Eigentümern der Nachbargrundstücke zwingend als Bauvorlagen gefordert werden können mit der Folge, dass fehlende Angaben zur Unvollständigkeit des Bauantrages führen?
(Vorschrift: § 55 I 1)
§ 58 I 7 LBO schreibt die Zustellung/Bekanntgabe der baurechtlichen Entscheidung an die Angrenzer vor, deren Einwendungen nicht entsprochen wurde (Var. 1) oder an sonstige Nachbarn, deren öffentlich-rechtlich geschützte nachbarliche Belange durch das Vorhaben berührt sein können (Var. 2). Ein generelles Zustellungs-/Bekanntgabeerfordernis an alle Angrenzer ist nicht vorgesehen.
Diese Adressangaben durch den Bauherrn zu den Angrenzern wurde in der LBOVVO gestrichen. Die untere Baurechtsbehörde hat insoweit die Gemeinde, die Zugriff auf die Grundsteuerdateien hat, um Amtshilfe zu bitten.
Ist es richtig, dass ein „Nachbar“, den die Baurechtsbehörde nicht beteiligt hat, sich „jederzeit“ mit Einwendungen – auch nach Erteilung der Baugenehmigung – an die Baurechtsbehörde wenden kann und zwar mit dem Verlangen, eine Mehrfertigung / pdf-A dieser Baugenehmigung zu erhalten; dies mit der Begründung, dass durch die Genehmigung seine nachbarlichen Belange, die öffentlich-rechtlich geschützt sind, berührt sein können?
(Vorschrift: § 55 I 1)
Aufgrund der Rechtsweggarantie (Art. 19 IV GG) steht es jedem Angrenzer und sonstigen Nachbarn, der sich in einen subjektiven Rechten beeinträchtigt sieht, weiterhin frei, die baurechtliche Entscheidung mittels Widerspruch bzw. Klage anzufechten. Dies gilt auch für nicht benachrichtigte Angrenzer und sonstige Nachbarn. Eine Mehrfertigung der bereits erlassenen Baugenehmigung kann einem Angrenzer und sonstigen Nachbarn jederzeit übermittelt werden. Damit ist keine erneute förmliche Bekanntgabe verbunden. Beginn und Ende von Rechtsbehelfsfristen bleiben hierdurch unberührt.
Ein Angrenzer wird beteiligt, er trägt keine Einwendungen vor, ist zwar in seinen Rechten tangiert, erhält aber keine Ausfertigung der Genehmigung, ist wegen § 55 Abs. 2 Satz 2 LBO im Weiteren präkludiert. Hingegen erhält ein Nachbar, dessen Betroffenheit als Nachbar sich erst im Laufe des Verfahrens herausgestellt hat, eine Ausfertigung der Genehmigung und ist im Weiteren nicht präkludiert. Wie passt das zusammen?
(Vorschrift: § 55 II)
Der angehörte Angrenzer hatte die Möglichkeit, Einwendungen zu erheben. Tut er dies nicht fristgerecht oder nicht vollumfänglich, ist er präkludiert. Er hat daher keine Möglichkeit mehr erfolgreich gegen das Vorhaben vorzugehen, ihm wird daher auch die Baugenehmigung nicht mehr zugestellt. Der nicht angehörte Angrenzer und ein sonstiger in seinen Rechten berührter Nachbar könnte aber noch berechtigte Einwendungen haben, die bisher nicht geprüft wurden. Ihm soll daher der Rechtsweg nicht beschnitten werden.
Was sind die rechtlichen Mindestanforderungen an den Genehmigungsvermerk? Müssen die Pläne mit einem elektronischen Siegel versehen werden, oder reicht eine Grafik in der PDF bzw. die Umbenennung der PDF-Datei in "genehmigt"?
(Vorschrift: § 58 I 7)
Wie in der bisherigen Fassung des § 58 I 6 LBO sind die baurechtlichen Entscheidungen mit einem entsprechenden Genehmigungsvermerk zu versehen. Für den Fall der künftigen elektronischen Bescheiderstellung- und Bekanntgabe sieht die LBO keine konkrete Mindestanforderung an den Genehmigungsvermerk vor. Es ist daher auch möglich, ein behördeneigenes Vorgehen zu entwickeln. Ein e-Siegel oder dgl. ist möglich, aber nicht erforderlich.