Bei der Planung und Genehmigung von Windrädern in der Umgebung von Kulturdenkmalen ist in Zukunft grundsätzlich keine denkmalfachliche Prüfung mehr erforderlich. Nur bei bestimmten Denkmalen, die anhand eines Bewertungsrasters festgelegt werden, ist eine Einzelfallprüfung notwendig.
Ein von der Landesdenkmalpflege neu entwickeltes „Bewertungsraster für Windenergieanlagen in der Umgebung von Kulturdenkmalen“ bringt Denkmalschutz und Klimaschutz zusammen. Das Bewertungsraster bewirkt, dass der sogenannte Umgebungsschutz nach dem Denkmalschutzgesetz der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen bei weit über 99 Prozent der Kulturdenkmale nicht entgegenstehen wird – und dies ohne weitere Prüfung. Nur in Ausnahmefällen wird die denkmalfachliche Zulässigkeit im Einzelfall noch geprüft. Pauschale denkmalschutzrechtliche Verbote gibt es nicht.
Mit dem neuen Bewertungsraster hat die Windkraft in Baden-Württemberg mehr Möglichkeiten als je zuvor. Damit sorgt das Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen als oberste Denkmalschutzbehörde des Landes gemeinsam mit dem Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (LAD) dafür, dass das von Bund und Land vorgegebene 1,8 Prozent-Flächenziel für Windkraftanlagen so schnell wie möglich erreicht werden kann.
Das Wichtigste in Kürze
Der sogenannte Umgebungsschutz kommt nur bei Kulturdenkmalen von besonderer Bedeutung zum Tragen. Er schützt die Wirkung des Denkmals in seiner Umgebung sowie die Bezüge zwischen Denkmal und Umgebung vor erheblichen Beeinträchtigungen. Solche Bezüge sind anzunehmen, wenn die Ausstrahlungskraft des Kulturdenkmals wesentlich von der Gestaltung seiner Umgebung abhängt, also zum Beispiel von einer prägenden Architektur oder Topographie – etwa im Falle von Burg und Burgberg.
Der Schutz zielt ausschließlich auf den Erhalt des Denkmalwerts ab, nicht auf städtebauliche oder ästhetische Belange. Geschützt ist also das Kulturdenkmal in seiner Wirkung und nicht die Umgebung selbst. Auch deshalb bezieht sich der Umgebungsschutz nicht auf einen fixen Radius rund um ein Denkmal, sondern auf Sichtachsen, die für die Wirkung des Denkmals besonders relevant sind.
Bisher musste immer im Einzelfall denkmalfachlich geprüft werden, ob der Umgebungsschutz eines Kulturdenkmals dem Bau einer Windkraftanlage entgegensteht.
Das neue „Bewertungsraster für Windenergieanlagen in der Umgebung von Kulturdenkmalen“ dreht dieses Prinzip um: Es legt fest, dass bei den allermeisten Denkmalen der Umgebungsschutz einer Windkraftanlage nicht im Wege steht – und dies ohne weitere Prüfung. Nur in Ausnahmefällen wird das Vorhaben noch denkmalfachlich geprüft.
Das Bewertungsraster bietet hierfür fachlich-wissenschaftliche und systematische Kriterien. Die denkmalfachliche Prüfung konzentriert sich streng auf in höchstem Maße raumwirksame Kulturdenkmale:
- Kulturdenkmale mit herausragend exponierter topografischer Lage in der Landschaft, in der Regel Gipfel-, Bergsporn oder Hanglagen
- Kulturdenkmale als unverzichtbar prägender Bestandteil einer Kulturlandschaft von herausragender landesgeschichtlicher Bedeutung („Landmarkencharakter“)
- Kulturdenkmale mit in höchstem Maße bestehender Fernwirksamkeit, landschaftlicher Dominanz bzw. Sonderstellung im Landschaftsraum und bedeutenden historischen bzw. aktuellen Sichtbeziehungen
- Kulturdenkmale von in höchstem Maße landesgeschichtlicher oder touristischer Bedeutung
- UNESCO-Welterbestätten mit Kern- und Pufferzone sowie Tentativlistenanträge.
Bei Kulturdenkmalen, die nicht in höchstem Maße raumwirksam sind, erfolgt künftig keine denkmalfachliche Einzelfallprüfung mehr: Der Umgebungsschutz steht einer Windkraftanlage nicht im Wege. Damit gibt es für die Windkraft in Baden-Württemberg mehr Möglichkeiten als je zuvor.
In höchstem Maße raumwirksame Kulturdenkmale
Nach Anwendung des Bewertungsrasters durch das LAD werden denkmalfachliche Belange aktuell sowohl im Hinblick auf den Stand der Technik bei Windenergieanlagen als auch auf den bekannten Bestand der Denkmallandschaft des Landes auf folgende Kulturdenkmale konzentriert:
- Blauer Turm, Bad Wimpfen
- Burg Alt-Eberstein, Baden-Baden
- Burg Emmendingen, Emmendingen
- Burg Guttenberg, Haßmersheim
- Burg Hohengeroldseck, Seelbach
- Burg Hohenneuffen, Neuffen
- Burg Hohenrechberg, Schwäbisch Gmünd
- Burg Hohenstaufen, Göppingen
- Burg Hohentwiel, Singen
- Burg Hohenzollern, Bisingen
- Burg Hornberg, Neckarzimmern
- Burg Kastelburg, Waldkirch
- Burg Lichtenberg, Oberstenfeld
- Burg Minneburg, Neunkirchen
- Burg Neipperg, Brackenheim
- Burg Ravensburg, Sulzfeld
- Burg Rötteln, Lörrach
- Burg Steinsberg, Sinsheim
- Burg Stolzeneck, Neunkirchen
- Burg Teck, Owen
- Burg Weibertreu, Weinsberg
- Burg Wertheim, Wertheim
- Eremitage Waghäusel, Waghäusel
- Fernsehturm Stuttgart (Tentativlistenantrag UNESCO-Welterbe), Stuttgart
- Grabkapelle auf dem Württemberg, Stuttgart
- Heuneburg (Tentativlistenantrag UNESCO-Welterbe), Herbertingen
- Hotel Bühlerhöhe, Bühl
- Höhensiedlung Ipf, Bopfingen
- Kloster Bebenhausen, Tübingen
- Kloster Lorch, Lorch
- Kloster Neresheim, Neresheim
- Kloster Obermarchtal, Obermarchtal
- Kloster Ochsenhausen, Ochsenhausen
- Kloster Rot an der Rot, Rot an der Rot
- Kloster Salem, Salem
- Kloster Schöntal, Schöntal
- Kloster St. Blasien, St. Blasien
- Kloster St. Märgen, St. Märgen
- Kloster St. Peter auf dem Schwarzwald, St. Peter
- Kloster St. Trudpert, Münstertal
- Kloster Zwiefalten, Zwiefalten
- Schloss Altensteig, Altensteig
- Schloss Bartenstein, Schrozberg
- Schloss Berneck, Altensteig
- Schloss Bruchsal, Bruchsal
- Schloss Bürgeln, Schliengen
- Schloss Ellwangen, Ellwangen
- Schloss Favorite, Ludwigsburg
- Schloss Favorite, Rastatt
- Schloss Heidelberg, Heidelberg
- Schloss Heiligenberg, Heiligenberg
- Schloss Hohenbaldern, Bopfingen
- Schloss Hohentübingen, Tübingen
- Schloss Horneck, Gundelsheim
- Schloss Kaltenstein, Vaihingen/Enz
- Schloss Karlsruhe, Karlsruhe
- Schloss Kapfenburg, Lauchheim
- Schloss Kirchberg, Kirchberg/Jagst
- Schloss Langenburg, Langenburg
- Schloss Langenstein, Orsingen-Nenzingen
- Schloss Lichtenstein, Lichtenstein
- Schloss Ludwigsburg, Ludwigsburg
- Schloss Mainau, Konstanz
- Schloss Mannheim, Mannheim
- Schloss Mochental, Ehingen
- Schloss Monrepos, Ludwigsburg
- Schloss Ortenberg, Ortenberg
- Schloss Rastatt, Rastatt
- Schloss Schwetzingen, Schwetzingen
- Schloss Sigmaringen, Sigmaringen
- Schloss Staufenberg, Durbach
- Schloss Stocksberg, Brackenheim
- Schloss Waldburg, Waldburg
- Schloss Waldenburg, Waldenburg
- Schloss Waldleiningen, Mudau
- Schloss Wartenberg, Geisingen
- Schloss Warthausen, Warthausen
- Schloss Weikersheim, Weikersheim
- Schloss Wolfegg, Wolfegg
- Schloss Zeil, Leutkirch
- Schloss Zwingenberg, Zwingenberg
- Ulmer Münster, Ulm
- UNESCO-Welterbe Baden-Baden – Teil der Great Spas of Europe, Baden-Baden
- UNESCO-Welterbe Häuser Le Corbusier an der Weißenhofsiedlung, Stuttgart
- UNESCO-Welterbe Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb, div.
- UNESCO-Welterbe Kloster Maulbronn, Maulbronn
- UNESCO-Welterbe Klosterinsel Reichenau, Reichenau
- UNESCO-Welterbe Limes, div.
- UNESCO-Welterbe Pfahlbauten, div.
- Wallfahrtskirche auf dem Bussen, Uttenweiler
- Wallfahrtskirche Birnau, Uhldingen-Mühlhofen
- Wallfahrtskirche Maria Rechberg, Schwäbisch Gmünd
- Wallfahrtskirche Schönenberg, Ellwangen
- Wallfahrtskirche St. Landelin, Ettenheimmünster
- Wallfahrtskirche St. Michael, Untergrombach
- Wallfahrtskirche St. Ulrich, Bollschweil
- Wallfahrtskirche Unserer Lieben Frau und St. Peter und Paul, Steinhausen
Das Bewertungsraster wurde durch den mit dem Gesetz zum Erlass eines Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetzes und zur Verankerung des Klimabelangs in weiteren Rechtsvorschriften neu erlassenen § 15 Absatz 4 Satz 1 Denkmalschutzgesetz gesetzlich abgesichert sowie verbindlich verankert und wird von den Denkmalschutzbehörden angewendet.
Die Vorteile des Bewertungsrasters
- Das Bewertungsraster bewirkt, dass die Denkmalpflege bei über 99 Prozent der Kulturdenkmale von einer Prüfung des denkmalschutzrechtlichen Umgebungsschutzes bei Windkraftprojekten von vornherein absieht. Das beschleunigt Verfahren und schafft frühzeitig Sicherheit für die Planung von Windenergieanlagen in der Umgebung von Kulturdenkmalen. Planungsträger und Projektierer können sich an den Denkmalberater Windenergie beim Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart wenden. Sie erhalten dort schnell die benötigten Denkmalinformationen und werden über gegebenenfalls weitere Schritte beraten.
- Mit dem neuen Bewertungsraster hat Windkraft in Baden-Württemberg viel mehr Möglichkeiten als je zuvor.
- Das Bewertungsraster benennt objektive denkmalfachliche Kriterien. Das schafft Transparenz und steigert die Akzeptanz.
Weitere Informationen sind auch der Internetseite des Landesamts für Denkmalpflege (LAD) Baden-Württemberg im Regierungspräsidium Stuttgart zu finden.