Denkmalschutz

Spektakuläre Grabkammer der frühen Kelten bei Riedlingen entdeckt

Staatssekretärin Andrea Lindlohr MdL: „Die neu entdeckte Grabkammer stellt ein herausragendes Zeugnis unserer reichen Denkmallandschaft dar.“

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Schematische graphische Rekonstruktion des Grabhügels (Durchmesser 65 m) mit Lage der zentralen Grabkammer

Bei archäologischen Ausgrabungen wurde in der Donauebene bei Riedlingen eine Grabkammer aus frühkeltischer Zeit gefunden. Sie lag im Zentrum eines riesigen Grabhügels, der einen Durchmesser von 65 m besitzt und heute noch knapp 2 m hoch ist. Ursprünglich dürfte er eine Höhe von über 6 m aufgewiesen haben. Mit diesen Dimensionen gehört er zur zahlenmäßig kleinen und exklusiven Gruppe der sogenannten Fürstengrabhügel. Solche Hügel errichteten die Kelten Südwestdeutschlands in der Zeit zwischen 620 und 450 v. Chr. für besonders hochstehende Persönlichkeiten.

„Die neu entdeckte Grabkammer stellt ein herausragendes Zeugnis unserer reichen Denkmallandschaft dar. Sie ist 2.600 Jahre nach ihrer Entstehung noch vollständig erhalten“, sagte die Staatssekretärin im Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen Baden-Württemberg Andrea Lindlohr MdL beim heutigen Pressetermin an der Ausgrabungsstätte. „Das archäologische Erbe von Baden-Württemberg ist eindrucksvoll und eröffnet uns Einblicke in längst vergangene Zeiten und Gesellschaften.“

Prof. Dr. Dirk Krausse vom Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (LAD), der langjährige Leiter der Forschungen an der Heuneburg und gleichzeitig Landesarchäologe von Baden-Württemberg, ergänzte: „Das Riedlinger Grab ist ein Glücksfall für die Archäologie: Die wissenschaftliche Bedeutung dieses modern untersuchten und vollständig erhaltenen keltischen Kammergrabs reicht weit über die Grenzen Baden-Württembergs und Süddeutschlands hinaus“.  

Die Ausgrabungen werden in den nächsten Wochen fortgeführt und sollen noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. Freilegung und Analyse erfolgen unter Einsatz modernster Grabungs-, Dokumentations- und Restaurierungstechnik und in enger Zusammenarbeit zwischen Archäologie, Restaurierung und Naturwissenschaften. Dr. Roberto Tarpini (LAD), der die Ausgrabungen vor Ort wissenschaftlich leitet, betonte: „Die nach Abschluss der Ausgrabungen anstehenden Untersuchungen und Analysen lassen weitere wichtige Erkenntnisse erwarten, insbesondere zur Frage, für wen dieses monumentale Hügelgrab errichtet worden ist“.

Der Präsident des LAD, Prof. Dr. Claus Wolf, stellte abschließend fest: „Alle Hölzer der Grabkammer werden sorgfältig geborgen und in den Werkstätten des Landesamts für Denkmalpflege in den nächsten Jahren konserviert und restauriert, um die vollständig rekonstruierte Kammer einem breiten Publikum museal präsentieren zu können“.

Lage in der Nähe der Heuneburg und des Bussens

Der Grabhügel liegt nur circa 7 km nordöstlich der Heuneburg, die als älteste stadtartige Siedlung nördlich der Alpen gilt und zu den bedeutendsten archäologischen Fund- und Ausgrabungsstätten Mitteleuropas zählt. In etwa gleicher Entfernung liegt mit dem Bussen, dem „heiligen Berg Oberschwabens“, eine weitere bedeutende archäologische Fundstätte der Bronze- und Eisenzeit (Abb. 1). Die Heuneburg und ihr Umfeld werden aktuell im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen Baden-Württemberg geförderten Langfristvorhabens durch das LAD erforscht. Um die Datierung sowie den Aufbau des Grabhügels zu klären und die Erhaltung der durch die intensive landwirtschaftliche Bewirtschaftung stark gefährdeten Grabbefunde zu überprüfen, wurden im letzten Jahr archäologische Ausgrabungen begonnen, die aktuell noch andauern.

Massive Grabkammer aus Eichenholz

Eine große Überraschung erwartete das Grabungsteam um Prof. Dr. Dirk Krausse im Zentrum des Grabhügels: Völlig unerwartet stießen die Archäologen nur knapp 70 cm unter der rezenten Oberfläche auf die sehr massiven Eichenhölzer einer großen vollständig erhaltenen Grabkammer (Abb. 4-5, 7). Der Befund ist einzigartig und von herausragender wissenschaftlicher Bedeutung, denn unter normalen Bedingungen erhält sich Holz im Boden nur wenige Jahre bis Jahrzehnte. Obwohl Holz das wichtigste Baumaterial in frühkeltischer Zeit war, gehören entsprechende Funde zu den archäologischen Raritäten. Eine vollständig erhaltene keltische Grabkammer wurde bisher überhaupt erst einmal in Deutschland entdeckt, nämlich 1890 bei Villingen im Schwarzwald, aber damals leider nur unzureichend dokumentiert und erst später in Teilen konserviert. Umso bedeutender sind die jetzt in Riedlingen gemachten Neuentdeckungen eines vollständig mit Decke, Wänden und Boden erhaltenen Kammergrabes. Diese Erhaltung ist den besonderen hydrologischen Bedingungen am Ort und der Konservierung durch Sauerstoffabschluss unter Grund- und Schichtwassereinwirkung zu verdanken.

Beschreibung der Grabkammer

Die etwa Nord-Süd-orientierte Kammer weist eine Breite von circa 3,40 m und eine Länge von circa 4,05 m auf. Der Boden besteht aus in Nord-Süd-Richtung verlegten starken Dielen, die hervorragend erhalten sind (Abb. 5). Die Wände der Grabkammer bestanden aus jeweils drei hochkant gestellten Bohlen, die sich an den Ecken deutlich überkreuzten und miteinander verkämmt waren. Ein etwa in der Mitte oben in die Längswände eingebrachter Querbalken trug ursprünglich das Gewicht der schweren Decke im zentralen Bereich, bevor er unter dem Gewicht des Grabhügels in das Kammerinnere einbrach. Die Höhe der Kammerwände betrug circa 1 m. An den äußeren Eckbereichen dienten vier Holzpfähle, die durch rechteckige Aussparungen in den oberen Deckenbalken in das um die Grabkammer aufgeschüttete Erdreich eingetieft waren, wohl als Konstruktionshilfe. Extrem massiv gebaut war die Decke (Abb. 4). Sie besteht aus zwei Lagen mächtiger Eichenspaltbohlen, wobei die obere Lage in Querrichtung, die untere Lage im rechten Winkel dazu, in Längsrichtung verlegt worden waren. Die Hölzer der oberen Deckenlage überstiegen teilweise, vor allem an der Ostseite, wo sie flach auf dem aufgeschütteten Erdmaterial auflagen, deutlich die Breite der Grabkammer und erreichen Längen von fast 5 m. Zuoberst wurden zwei weitere Spalthölzer in Längsrichtung firstartig auf der oberen Deckenlage angeordnet.

Ein Zeitgenosse der Keltenfürstin vom Bettelbühl?

Herausragende wissenschaftliche Bedeutung kommt auch der Tatsache zu, dass sich das Grab auf Grund der einzigartigen Holzerhaltung durch die Dendrochronologie (Jahrringchronologie) jahrgenau datieren lässt, obwohl es einer Epoche angehört, aus der keinerlei schriftliche Quellen vorliegen. Die dendrochronologischen Untersuchungen der bisher geborgenen Kammerhölzer ist noch nicht abgeschlossen. Dagegen konnte ein „keulenartiges“ Holzartefakt (Abb. 9), das die keltischen Erbauer nach der Errichtung der Kammer zurückgelassen haben, bereits datiert werden. Das Objekt, bei dem es sich eventuell um das Halbfabrikat eines Holzspatens handelt, wurde aus dem Holz einer im Jahr 585 v. Chr. gefällten Eiche gefertigt. Diese und weitere Beobachtungen sprechen dafür, dass das Fürstengrab von Riedlingen im Jahr 585 v. Chr. errichtet worden ist. Damit ist es nur zwei Jahre älter als das vor einigen Jahren zu Füßen der Heuneburg geborgene Grab der Keltenfürstin vom Bettelbühl (583 v. Chr.) und fällt wie dieses in die Blütezeit der Heuneburg mit ihrer besonderen Lehmziegelarchitektur.

Antike Grabräuber am Werk

Mit der sehr massiven Bauweise der Decke in mehreren Lagen verfolgten die frühkeltischen Erbauer sehr wahrscheinlich auch die Intention, das Plündern der Grabkammer durch Grabräuber zu verhindern. Dafür spricht die Beobachtung, dass sich bisher fast alle unter Großgrabhügeln in dieser Zeit angelegte Fürstengräber als antik beraubt erwiesen haben. In dieser Hinsicht stellt das neu entdeckte Grab von Riedlingen leider keine Ausnahme dar: Dies zeigen zwei bei den archäologischen Ausgrabungen dokumentierte Raubgräbertunnel, die beide zur Süd-Ost-Ecke der Grabkammer führten (Abb. 8). Dort haben sie die Kammerdecke durchschlagen und sich durch ein nur circa 40 x 45 cm großes Einstiegloch (Abb. 6) Zugang in die Kammer verschafft. Die Plünderung – die zu einem Zeitpunkt erfolgt sein muss, als man sich in der Grabkammer noch frei bewegen konnte – war sehr gründlich und systematisch, da sich auf den bisher freigelegten Teilen des Kammerbodens keine Beigaben aus Metall oder anderen wertvollen Materialien fanden. Allerdings ist die Freilegung des Kammerbodens noch nicht abgeschlossen, so dass eventuell von den Grabräubern übersehene Objekte noch zum Vorschein kommen können. Zahlreiche Bronzeziernägel, die sich in einem der Raubgräbertunnel fanden, bestätigen in jedem Fall die naheliegende Vermutung, dass die Grabkammer ursprünglich reiche Beigaben enthielt. Diese Ziernägel sowie mehrere charakteristische Eisennägel stammen wahrscheinlich von einem vierrädrigen Wagen, wie sie aus anderen frühkeltischen Elitegräbern, etwa aus dem circa 50 Jahre jüngeren Fürstengrab von Hochdorf, bekannt sind. Ob in dem Riedlinger Grab ein Mann oder eine Frau bestattet worden war, müssen die weiteren archäologischen Untersuchungen zeigen. Bisher wurden mehrere gut erhaltene Knochen eines menschlichen Skeletts geborgen. Nach einer ersten anthropologischen Autopsie stammen sie von einem vermutlich 15 bis 20 Jahre alten und zwischen 160 und 168 cm großen männlichen Individuum.

Weitere Bestattungen

Dicht unter der Oberfläche am Rand des Grabmonuments wurde außerdem das partiell erhaltene Skelett eines 25 bis 35 Jahre alten Mannes freigelegt (Abb. 3). An Beigaben enthielt dieses Grab zwei Gewandspangen aus Bronze sowie einen kleinen Bergkristall, der vielleicht als Amulett am Hals getragen wurde. Die Beigaben und die hohe Lage im Grabhügel sprechen dafür, dass es sich um eine Nachbestattung handelt, die um 500 v. Chr. sekundär in den bereits zuvor errichteten Grabhügel eingebracht worden ist. Nur wenige Meter davon entfernt fand sich unter dem Grabhügel eine kleine Grube mit zwei Tongefäßen, die menschlichen Leichenbrand enthielten, also als Urnen gedient hatten (Abb. 2). Es handelt sich um zwei ältere Brandbestattungen der Zeit um 600 v. Chr., die bei oder kurz vor der Errichtung des riesigen Grabhügels in die Erde gelangten.

Porträt von Ministerin Nicole Razavi

Nicole Razavi

Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen

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