Patenschaft Innovativ Wohnen BW

Zweiter Experten-Dialog „Lücken Nutzer:in“

Der zweite Experten-Dialog „Lücken Nutzer:in“ im Rahmen der Patenschaft Innovativ Wohnen BW fand am 1. Oktober 2021 in Stuttgart statt. Hier finden Sie die Dokumentation zur Veranstaltung.

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Fotocollage aus grafischen Elementen und einem Foto aus der Veranstaltung Experten-Dialog

Der zweite Experten-Dialog im Rahmen der Patenschaft Innovativ Wohnen BW fand am 1. Oktober 2021 auf der Laborbühne im Quartier „Am Rotweg“ in Stuttgart statt. Mit der Patenschaft, einer der Säulen der Wohnraumoffensive Baden-Württemberg, setzt das Land auf die Kraft der innovativen Ideen und experimentellen Ansätze der Akteure vor Ort. Dafür ist das Quartier „Am Rotweg“ mit seiner Laborbühne, einer temporären Holzkonstruktion, deren Errichtung im Rahmen der beispielgebenden Projekte gefördert wurde, der richtige Ort.

Die Patenschaft Innovativ Wohnen BW bringt Akteure unterschiedlicher Richtungen zusammen, um Wohnformen neu zu denken, frische Ideen zu entwickeln und innovative Wohnprojekte zu unterstützen. Der zweite Experten-Dialog war ein weiterer Schritt in diese Richtung. Es wurden Projekte vorgestellt, bei denen die Verknüpfung von Innovation und Bezahlbarkeit im Fokus steht. Gemeinsam mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurde unter dem Motto „LÜCKEN NUTZER:IN“ diskutiert und erarbeitet, wie innerörtliche Versatzflächen oder Baulücken für das Wohnen genutzt werden können. Der diesjährige Experten-Dialog ermöglichte als Vernetzungstreffen damit den Erfahrungsaustausch unter den Projektakteuren und gab zugleich wertvolle Impulse für die Weiterentwicklung der Patenschaft Innovativ Wohnen BW. Das Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen dankt allen, die mitgewirkt und mitgearbeitet haben.

LÜCKEN NUTZER:IN – RÄUME FÜR WOHNINNOVATIONEN

Statement der Staatssekretärin Andrea Lindlohr MdL

Den zweite Experten-Dialog der Patenschaft Innovativ Wohnen BW am 1. Oktober 2021 begleitete die Staatssekretärin im Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen Baden-Württemberg, Andrea Lindlohr MdL, und begrüßte die eingeladenen Expertinnen und Experten aus den Bereichen Stadtentwicklung, Stadtplanung, Sozialplanung, Architektur, Wissenschaft und Wohnungswirtschaft. Praxisorientiert, modellhaft, innovativ und an zukünftigen Bedarfen ausgerichtet wolle das Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen seine zukünftigen Akzente setzen, sagte Lindlohr.

Die Wohnraumoffensive Baden-Württemberg sei eine lernende Gesamtstrategie, die sich auf drei Bereiche konzentriere: Grundstücksfonds und Kompetenzzentrum Wohnen BW sowie die Patenschaft Innovativ Wohnen BW. Dabei stehe die Wohnraumoffensive in einem Spannungsfeld verschiedener Zukunftsthemen, für die das Land flexible und passgenaue Angebote und Instrumente kreieren wolle – immer im Austausch mit den Expertinnen und Experten, erklärte die Staatssekretärin.

Sie sagte: „Die Patenschaft will innovatives und zugleich bezahlbares Wohnen voranbringen, indem sie in sehr flexibler Weise fördert. Mutige Ideen zu unterstützen, ist der Kernaspekt, auch wenn es dabei stets gilt, realistisch zu bleiben und – wenn nötig – das Scheitern als eine mögliche Option in Kauf zu nehmen. Im engen Kontakt mit Projekten und Akteuren wollen wir Hürden und Grenzen kennenlernen und Lösungen finden. Ein solches Gegenstromprinzip ist nur im Team zu meistern – dafür steht auch der Experten-Dialog. Als offenes Austauschformat ist er neben den beispielgebenden Projekten zentrales Instrument der Patenschaft.“

Der kontinuierliche Austausch sei immens wichtig und unterstreiche die doppelte Bedeutung des Veranstaltungstitels: Innovative Wohnprojekte und ausreichend Raum beziehungsweise Fläche für deren Umsetzung sowie Expertinnen und Experten als Innovations-VoranTreibende vor Ort. Beim ersten Dialog im Oktober 2020 habe sich bereits gezeigt, wie wertvoll dieses Format ist, so Lindlohr.

Sie sagte: „Gemäß dem Motto des zweiten Experten-Dialogs „LÜCKEN NUTZER:IN“ ist die Grundüberlegung, dass es in städtischen und ländlichen Kontexten viele integrierte Restflächen oder städtische Versatzstücke gibt, die für innovative Wohnprojekte genutzt werden können. Dies sind oftmals kleinere, unattraktiv geschnittene oder gelegene Flächen, die Pioniere benötigen. Diese Lücken können etwa genutzt werden, um andere Projekte zu verbinden, oder sie können temporären Verwendungen zugeführt werden. Herausforderungen können sich auch aus bauordnungs- und bauplanungsrechtlicher sowie bautechnischer Sicht ergeben.“

Der Projektaufruf zur dritten Fördertranche solle Anfang 2022 starten. An die Ausschreibungsphase anschließend komme im Frühjahr 2022 ein Auswahlgremium zusammen, sodass mit frischen beispielgebenden Lücken Nutzenden Mitte 2022 gestartet werden könne, kündigte die Staatssekretärin an.

MEHRRAUM. DIE ZEITGERECHTE STADT – POTENTIALE DER MEHRFACHNUTZUNG

Impuls von Jan Foerster, Teamwerk Architekten

Temporäres Potential im Flächenraum finden, um damit soziale, ökonomische und ökologische Nutzungen zu generieren – dies sei der Kerngedanke der Studie „mehrraum. Die zeitgerechte Stadt – Potentiale der Mehrfachnutzung“, die Jan Foerster, Teamwerk Architekten, vorstellte. Das ungenutzte Potential gründe auf dem Prinzip der Mehrfachnutzung und zeitlichen Staffelung symbiotischer, sich ergänzender Nutzungen, so Foerster. Konkret werde in der Studie die raumzeitliche Verwendung von Orten und Nutzungen analysiert. Die Nutzungen seien schließlich in Aktivitätskategorien unterteilt, nach Kriterien wie Bewegungsform und Interaktivität.

Im nächsten Schritt würden die einzelnen Nutzungen genauer analysiert, vor allem in Hinblick auf die Nutzungszeit, den Raumbedarf und die Ortsgebundenheit, so Foerster. Darauf aufbauend seien anhand zusammenwirkender Eigenschaften Mehrfachnutzungen gesucht worden (Bsp. Kino und Vorlesungssaal). Zuletzt sei ein „Fahrplan“ entwickelt worden. Die Studie sei im Rahmen der ersten Tranche der beispielgebenden Projekte gefördert worden. Um das Potential im Flächenraum zu finden, werde innerhalb der Studie ein neuer Wert P entwickelt (qm/h). Konkret sei P die potenzielle Nutzfläche eines Ortes geteilt durch die Bruttogeschossfläche mal dem Leerstand pro Stunde. Hierbei sei in monovalente und polyvalente Räume unterschieden worden. Konkret auf Baden-Württemberg angewendet komme die Formel zum Ergebnis, dass 83 Millionen freie Flächen/Räume zur Verfügung stünden. Weiterhin mache die Studie deutlich, dass es ressourcenschonend sei, wenn der Neubau eingeschränkt würde. Eine Mehrfachnutzung bediene auf Grund der damit verbundenen Durchmischung auch eine soziale Komponente. Auch ökonomisch gesehen biete sie einen großen Vorteil, da laufende Kosten reduziert würden.

Für weitere Informationen:

www.teamwerk-architekten.de

WOHNMITEINANDER

Impuls von Guobin Shen, Atelier Kaiser Shen

Unter dem Titel „Wohnmiteinander“ fasste Guobin Shen, Atelier Kaiser Shen, das Thema des Experten-Dialogs „LÜCKEN NUTZER:IN“ anhand unterschiedlicher Beispiele zusammen. Kerngedanke des Impulsbeitrags war, dass dichteres Wohnen keinen Qualitätsverlust bedeute. Anhand des Mikrohofhauses in Ludwigsburg und des Hauses B in Altbach wurden Ansätze, Ideen und Anregungen aufgezeigt, wie Wohnungsbau in der Zukunft aussehen könne. Im Rahmen des Wettbewerbs „Raumpioniere – Wohnen auf kleinstem Raum“ des Ludwigburger Museums planten Guobin Shen und sein Büro ein Mikrohofhaus auf einer Verkehrsinsel. Das Mikrowohnen lehne sich sehr stark an das Prinzip Wohnmobil an, so Guobin Shen. Der Raum sei bis aufs Kleinste gut durchdacht und viele Elemente seien standardisiert.

Die Besonderheit am Mikrohofhaus sei, dass eine Hoftypologie geschaffen wurde. Dieses Beispiel zeige, dass an zunächst untypischen, vermeintlich unattraktiven Orten durch geschickte Architektur spannende mögliche Wohnorte geschaffen werden könnten.

Das zweite Beispiel stelle das „Haus B“ in Altbach im Landkreis Esslingen dar, das im Rahmen der 2. Tranche der beispielgebenden Projekte gefördert würde. Im Hinblick auf Wohnungsknappheit sollten neue Wohnformen und -typologien erprobt werden. Ziel sei es, attraktiven Wohnraum bei starker Reduzierung des Flächenverbrauchs zu schaffen. Insgesamt sollten zwölf Wohneinheiten verteilt auf zwei miteinander verbundene Gebäude mit je vier Geschossen entstehen. Die private Wohnfläche solle verringert und um gemeinschaftlich genutzte Räumlichkeiten ergänzt werden. Die individuellen Wohnräume könnten nach den Bedarfen der Bewohnerinnen und Bewohner in ihrer Größe verändert und angepasst werden, sodass sie für verschiedenste Nutzergruppen zugänglich seien. Der Gemeinschaftsbereich biete Platz für das soziale Miteinander.

Für weitere Informationen:

www.atelierkaisershen.de

LÜCKEN NUTZER:IN – ZIELE, HANDLUNGSFELDER UND INHALTLICHE SCHWERPUNKTE

Als Impuls für die Arbeitsphase fand eine Live-Schaltung mit dem Vorstandsvorsitzenden der Bundesstiftung Baukultur Rainer Nagel statt. Von der parallel stattfindenden Baukulturwerkstatt „Lebensräume umbauen“ in Schwäbisch Gmünd schilderte Nagel seine Vorstellung von einer „gelebten Beteiligungs- und Umbaukultur“.

Ergebnisse der Austausch- und Arbeitsphase

Angeregt durch den Beitrag von Rainer Nagel sowie basierend auf den Ergebnissen einer Vorab-Befragung unter allen angemeldeten Personen, beschäftigten sich die Teilnehmenden in zwei moderierten Kleingruppen mit dem Veranstaltungsthema „LÜCKEN NUTZER:IN“.

Diskutiert wurden folgende Fragestellungen:

  • Welche „Lücken“ gibt es und wie wird „Lücke“ verstanden?
  • Welche Handlungsfelder umfasst das Thema „Lücken nutzen“?
  • Welche Ziele sollen mit Blick auf das „Lücken nutzen“ verfolgt werden?

Ziele

Das Ziel soll sein, Lücken nicht nur im engeren Sinne als Baulücke zu verstehen. Es soll auch nach weiteren Lücken „gesucht“ und diese „geschlossen“ werden, beispielsweise auch Lücken in den Nutzungen oder im Denken, Handeln oder in der rechtlichen Handhabung. Darüber hinaus sollen kommunale Immobilienbestände analysiert und daraus Nutzungspotenziale geschöpft werden. Ein weiteres Ziel könnte die Schaffung einer Toolbox für Kommunikation zwischen den Akteuren sein. Auch sollte eine echte Flexibilität in Grundrissen und Gebäuden erarbeitet werden, sowohl in zeitlicher als auch in räumlicher Hinsicht. Insgesamt wird eine Kultur der Dichte und des Teilens gewünscht. Schließlich soll das „Reframing“ von Projekten eine wichtige Bedeutung bekommen.

Inhaltliche Schwerpunkte

Inhaltliche Schwerpunkte sind Innenentwicklung, Zwischennutzung sowie Wissenslücken. Zukünftigen Flächenbedarf durch Nutzung innerörtlicher, bereits erschlossener und baulich vorgeprägter Flächen zu decken und dadurch Neuausweisungen auf der Grünen Wiese zu vermeiden, ist die Zielsetzung der Innentwicklung. Hierzu sollen zukünftig insbesondere Baulücken und Gewerbeflächen mit in die Planungen einbezogen werden, auch wenn es sich um private Flächen handelt. Dabei gilt es, sich nicht nur auf bauliche Lücken zu beschränken, sondern zudem Bedarfslücken, beispielsweise in der sozialen Infrastruktur in den Blick zu nehmen.

Hinsichtlich der Nutzung solcher Lücken sind nicht nur endgültige Nutzungen, sondern gerade auch temporäre Lösungen denkbar, wie beispielsweise vorübergehende Dorfläden. Zusätzlich sind auch Mehrfachnutzungen wie „Box-in-Box-Lösungen“ oder „Co-Living“ in Betracht zu ziehen.

Handlungsfelder

Zentrale Handlungsfelder sind Innenentwicklung und Zwischennutzung, beziehen dabei aber auch dörfliche bzw. ländlich geprägte Strukturen mit ein. Es gilt, die Lücken im Bestand kreativ zu interpretieren und zu nutzen. Die Handlungsfelder sind, wie bereits dargestellt, vielfältig. So ist beispielsweise eine vertikale Nachverdichtung denkbar, um keine weiteren Flächen versiegeln zu müssen; Gebäude können aufgestockt oder auch neu „organisiert“ werden. Lohnend ist auch, über neue Wohnformen mit reduziertem Flächenverbrauch nachzudenken. Gebäude, die aktuell keiner Nutzung unterliegen oder wenig Raum benötigen, können teilweise oder vollständig umgenutzt werden. Auch sind Mehrfachnutzungen nach dem Prinzip der mehrraum-Studie denkbar. Hierfür bedarf es eines Management- und Belegungsplans. In diesem Sinne können auch Gewerbeflächen, vor allem in Bezug auf sogenannte „Pop-Up Wohnungen“, genauer unter die Lupe genommen werden.

Insgesamt muss der Wert des Bestands mehr ins Bewusstsein gebracht werden. Er ist für eine nachhaltige Entwicklung so wertvoll, dass Umnutzung und Weiterbau auch unter ökonomischen Gesichtspunkten dem Abriss und Neubau vorzuziehen sind. Gerade unter dem Aspekt des Klimaschutzes gilt es, innovative Lösungen für bestehende Lücken zu finden.

Zusätzlich entstehen Handlungsfelder bei der Zwischennutzung. Hinderlich ist hier das bisherige „Eigentumsdenken“, das
Sharing-Konzepten teilweise im Wege steht. Hier gilt es, ein Bewusstsein zu schaffen sowie Vorteile einer Sharing-Community darzulegen. Diese Entwicklung unterstützt dabei, stärker menschenorientierte, anstatt gebäudezentrierte Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft zu finden.

Eine Idee, die insbesondere auch für den ländlichen Raum in Frage kommen könnte, sind Tauschkonzepte. Hierbei tauschen ältere Bevölkerungsteile aufgrund ihres gesunkenen Platzbedarfes ihr Heim gegen eine kleinere Wohneinheit.

BLITZLICHTER

Reallabor Wohnen – resilient und generationengerecht für Alle in Stuttgart-Rot

Im Zuge der Transformation des Nachkriegsquartiers der 1950erJahre sollen neue Perspektiven für ein Wohnquartier der Zukunft entwickelt werden. Getragen wird das Projekt von den beiden Genossenschaften Neues Heim – Die Baugenossenschaft eG und Baugenossenschaft Zuffenhausen eG in enger Abstimmung mit der Mieterschaft.. Der Neubau des Quartiers „Am Rotweg“ bildet den Kern des Projektes. Dort sollen unter Vereinigung sozialer, ökologischer und ökonomischer Aspekte sowie baukultureller und experimenteller Bauweisen vielfältige und nachhaltige Nutzungen entstehen. Das „Reallabor Wohnen – resilient und generationengerecht für Alle in Stuttgart-Rot“ soll in Zukunft Potenziale und Erfahrungen für ähnliche Quartiere aufzeigen. Diese „gelebte Beteiligungskultur“ wird im Rahmen der 2. Tranche der
beispielgebenden Projekte mit gefördert.

Für weitere Informationen:

www.quartier-am-rotweg.de
Beispielgebende Projekte

Blaupause kirchliche Immobilien – Klosternah gemeinschaftlich wohnen und sinnstiftend leben

Im Rahmen der Patenschaft Innovativ Wohnen BW (2. Tranche beispielgebende Projekte) wird dieses Projekt begleitet. Insgesamt sollen drei Teilprojekte umgesetzt werden: Klosternahes Wohnen, Quartier am Klosterberg und Pflegenahes Wohnen. Im Rahmen des Teilprojektes Klosternahes Wohnen sollen nicht mehr benötigte Räumlichkeiten zu zwölf Wohneinheiten für gemeinschaftliches Wohnen umgenutzt werden. Mittels des Quartiers am Klosterberg soll neuer, am Gemeinwesen orientierter Wohnraum geschaffen werden. Zudem soll auch ein Wohnangebot für pflegebedürftige Bürgerinnen und Bürger entstehen. Alle drei Teilprojekte sollen miteinander vernetzt werden und unter dem Punkt Gemeinschaft stehen. Das Projekt „Blaupause kirchliche Immobilien – Klosternah gemeinschaftlich wohnen und sinnstiftend leben“ soll als Beispiel für andere kirchliche Einrichtungen dienen.

Für weitere Informationen:

Beispielgebende Projekte