Die Förderung und Unterstützung beispielgebender Projekte ist ein erster konkreter Umsetzungsschritt der Patenschaft Innovativ Wohnen BW. Damit werden innovative und zugleich übertragbare Ansätze für mehr bezahlbaren Wohnraum in ein landesweites Schaufenster gestellt. Anhand der „guten Praxis“ soll ein Ideenpool für wegweisende Ansätze im Wohnungsbau entstehen, aus dem alle schöpfen können.
Die ausgewählten beispielgebenden Projekte profitieren in mehrfacher Hinsicht: Sie werden nicht nur finanziell unterstützt, sondern auch fachlich begleitet, landesweit vernetzt und der Öffentlichkeit vorgestellt. In seiner Funktion als Pate für gute Konzepte und Projekte möchte das Land interessierte Akteure zum Nachahmen einladen. Beim „landesweiten Schaufenster“ am 19. Juni in Pforzheim präsentierten sich die Projekte der ersten drei Förderrunden erstmals gemeinsam der Öffentlichkeit.
14 beispielgebende Projekte in den ersten vier Fördertranchen
Die bisher ausgewählten 14 beispielgebenden Projekte umfassen sehr unterschiedliche, teils auch experimentelle Ansätze baulicher und konzeptioneller Art. Sie werden individuell finanziell unterstützt. Die Projekte sind sowohl im urbanen als auch im ländlichen Raum angesiedelt und setzen sich mit wichtigen Zukunftsthemen auseinander, wie zum Beispiel der resilienten Stadt, dem Leben auf dem Land, dem Zusammenwirken von Arbeiten und Wohnen und neuen Wohntypologien. Dabei spiegeln sie die enorme Innovationskraft im Land und den Facettenreichtum des gemeinschaftlichen und bezahlbaren Wohnens wider.
1. Fördertranche
Die VOLKSWOHNUNG GmbH in Karlsruhe stockt auf bestehenden Garagenhöfen in einer Nachkriegssiedlung zunächst zwölf Ein- und Zwei-Zimmerwohnungen auf, um kompakten, überwiegend sozial geförderten Wohnraum für Studierende und Alleinerziehende zu schaffen. Die vorgefertigte Holzbauweise ermöglicht eine sehr kurze Bauzeit, den Einsatz rezyklierter Bauteile sowie die Möglichkeit, die Module auch in einem anderen Kontext wieder einsetzen zu können. Damit wird das Quartier um interessante städtebauliche Akzente ergänzt und durch neue Bewohnergruppen sozial durchmischt. Das Wohnen „über den Garagen“ ist auf zeitlich begrenzte Lebensabschnitte ausgelegt. Daneben sollen – auch in Abhängigkeit von der langfristigen Quartiersentwicklung – die Versetzbarkeit der Aufbauten sowie die spätere sortenreine Trennbarkeit der Baustoffe erprobt werden. So kann soziale Wohnraumförderung „auf Reisen“ gehen.
Die Universitätsstadt Tübingen gründet die Dachgenossenschaft Wohnen Tübingen, um ein flexibles und lebensphasengerechtes Wohnangebot zu schaffen, gemeinschaftliche Wohnformen zu ermöglichen und gleichzeitig – trotz des angespannten Wohnungsmarkts – das Wohnen langfristig bezahlbar zu halten. Die Genossenschaft „als Dach“ für individuelle Wohnprojekte und Initiativen übernimmt Gründungs-, Bau- sowie Verwaltungsaufgaben und stellt damit ein professionelles Management sicher. Über einen Sozialfonds bietet sie Menschen mit geringem oder keinem Vermögen Zugang zu gemeinschaftlichen Wohnformen durch Übernahme der notwendigen Genossenschaftsanteile. Um das anfängliche Risiko abzusichern und erste Projekte anzuschieben, wird dieser langfristig revolvierende Fonds in der Startphase aus öffentlichen Mitteln der Universitätsstadt Tübingen und des Landes gespeist.
Unter dem Titel „MehrRaum“ plant die Stadt Laupheim die Aufstockung einer bestehenden Kindertagesstätte mit 24 sozial geförderten Wohnungen. Das Gebäude ist sehr kompakt und wird in flexibler Modulbauweise aus Massivholz errichtet. Der beispielgebende Charakter des Gebäudes liegt in der besonderen Nutzungskombination. Durch geschickte tageszeitabhängige Mehrfachnutzung von Gemeinschaftsräumen, Innenhöfen und Dachgärten werden Flächen für unterschiedliche Gruppen nutzbar gemacht – und zugleich wird Fläche eingespart. „MehrRaum“ ist ein ganzes Quartier in einem Gebäude. Das Land hat bei dem geplanten kommunalen Bauvorhaben „MehrRaum“ eine Studie zur Definition eines Handlungsleitfadens für künftige Projektentwicklungen gefördert.
2. Fördertranche
In Zusammenarbeit zwischen Kommune und Architekt entwickelt die Gemeinde Bodnegg ein Konzept für die gezielte Architektur- und Bauberatung zum Aus- und Umbau vorhandener Einfamilienhäuser mit den Zielen der Nachverdichtung, Barrierefreiheit und Wohnraumschaffung für junge Familien. Dabei wird die soziale Komponente betont: dort wohnen bleiben können, wo man über Jahrzehnte seine Heimat hatte, die Nachbarschaft kennt und sich wohlfühlt. Die Schaffung von Wohnraum im Bestand und die Vermietung machen es möglich, ein Miteinander von Jung und Alt zu etablieren. Dies fördert gegenseitige Unterstützung und die Seniorinnen und Senioren können durch kleine Hilfeleistungen in Haus und Garten länger im vertrauten Wohnumfeld bleiben.
Die Franziskanerinnen von Reute machen sich mit einer richtungweisenden Idee auf den Weg: Mit dem Projekt Klosternahes Wohnen entsteht Wohnraum für Menschen, die offen für eine gemeinschaftsorientierte Lebensform sind. Der Umbau eines Teils des Klostergebäudes respektiert die Bedürfnisse des Denkmals, ermöglicht aber gleichzeitig neue Nutzungsformen und die Öffnung des Zusammenlebens hin zum Dorf. Zusammen mit dem geplanten Wohnquartier entsteht ein Beispiel für innovative, menschenorientierte Wohnformen im ländlichen Raum, das ein selbstbestimmtes Leben mit gemeinschaftlichen Ansätzen verbindet.
Mit der Neuinterpretation zweier klassischer Zeilen ersetzt die VOLKSWOHNUNG ein Bestandsgebäude in der Karlsruher Waldstadt. Damit wird der Auftakt für eine ganzheitliche Entwicklung des gesamten Quartiers gebildet. Der entstehende Geschosswohnungsbau soll sowohl bezahlbar sein (hoher Anteil an öffentlich gefördertem Wohnraum), als auch hohen sozialen und ökologischen Ansprüchen genügen. Der beispielgebende Charakter des Projekts setzt in der Planungsphase an: Im Rahmen der Begleitforschung werden Erkenntnisse der Architekturpsychologie eingebunden. Es wird überprüft, inwieweit durch kluge Planung das zukünftige Wohnen und Zusammenleben im Quartier positiv unterstützt werden kann, wie eine verträgliche Dichte entsteht, wie Stressfaktoren zu reduzieren sind und welche Faktoren die Resilienz erhöhen. Die Erkenntnisse werden in übertragbare Planungsstandards übersetzt und kommen so weiteren Projekten, insbesondere den im Umbruch befindlichen Quartieren mit großen Wohnungsbeständen der 1950er bis 1970er Jahre, zu Gute.
Mit der Kombination aus Laborbühne und 1:1-Modellwohnung entwickelt die Baugenossenschaft Neues Heim gemeinsam mit vielen weiteren Akteuren in Stuttgart-Rot ein kleines Quartier im „Abrissquartier“. Mit neuartigen Baumaterialien und nachhaltigem Vorgehen wird direkt vor Ort, gemeinsam mit den Betroffenen, mit sozialen Partnern, ein Experimentier- und Aktionsraum geschaffen. Interdisziplinär, resilient und generationengerecht. Die Fragestellung dahinter ist, wie Wohnen und Zusammenleben in einem Quartier der 1950er-Jahre langfristig tragfähig und für die Zukunft für alle gestaltet werden kann. Und nicht zuletzt soll sich auch zeigen, wie übertragbar dieses Konzept auf andere Quartiere ist.
Weitere Informationen unter bgneuesheim.de
Alter Schlachthof Pforzheim – ein inklusives, soziales und ökologisches Wohnprojekt der Genossenschaft Gewerbekultur Pforzheim eG, die ein produktives Quartier mit Wohnen, Arbeiten, Kunst und Kultur entwickelt. Die Bereitstellung von Ateliers für Künstlerinnen, Künstler und Kreativschaffenden, sowie die Beteiligung der zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer am Entstehungsprozess, schaffen einen identitätsstiftenden und lebendigen Ort. Für diese neuen Strukturen des Arbeitens und Wohnens werden unter anderem Methoden zur Aufstockung bzw. Überbauung von Bestandsgebäuden für das Wohnen entwickelt.
Weitere Informationen unter www.alter-schlachthof-pforzheim.de
Auf Initiative eines privaten Bauherrn entsteht barrierefreies gemeinschaftliches Wohnen. Um dabei auf immer knapper werdenden Wohnraum zu reagieren, werden beim Haus B neue Wohntypologien untersucht. Hierbei ist das Ziel, die individuelle Wohnfläche zu reduzieren und gleichzeitig durch Gemeinschaftsflächen höhere Wohnqualität zu erreichen. Die beiden Mehrfamilienhäuser teilen sich eine gemeinsame außenliegende Erschließung, wodurch einerseits alle Geschosse barrierefrei erreichbar sind und andererseits ein offener Begegnungs- und Kommunikationsraum entsteht. Die Dachform bildet parallel die Topografie nach und bindet beide Häuser zusammen. Gemeinschaft entsteht und wird nach außen hin sichtbar.
3. Fördertranche „Lücken nutzen“
Thematischer Schwerpunkt: Schließen einer klassische Baulücke (innerörtlicher Leerstand, schwer zugänglich)
Projektbeschreibung: Die Genossenschaft RemstalLeben eG möchte mit dem Bauvorhaben in einer leerstehenden denkmalgeschützten Hofstelle ein Wohnprojekt auf einer schwer zugänglichen Baulücke im Mischgebiet schließen. Es sollen unterschiedliche Wohntypologien realisiert, durch Mehrfachnutzung und Gemeinschaftsflächen die individuelle Wohnfläche reduziert und gleichzeitig durch die geforderte Mischung von Wohnen und Arbeiten (20% Gewerbe) eine zentrale Anlaufstelle für Bewohner, Nachbarschaft und das Quartier geschaffen werden (Kantine als multifunktionaler Gemeinschaftsraum und lebendiges Zentrum).
Thematischer Schwerpunkt: Schließen einer Wissens– und Erfahrungslücke in der innovative Zusammenarbeit zwischen klassischen Akteuren am Wohnungsmarkt und großen Wohnprojektgruppen
Projektbeschreibung: Die Esslinger Wohnungsbau GmbH realisiert gemeinsam mit zahlreichen Kooperationspartnern (AlWo 1 ca. 40 Personen, ähnlich Mietshäuser- Syndikat) und unter Beteiligung der Stadtverwaltung sowie der Bewohnerschaft ein innovatives Wohnprojekt (Flächeneffizienz und viel Gemeinschaftsflächen) in einem hoch verdichteten Quartier. Diese neue Art der Realisierung eines Großprojekts im Vergleich zu einer klassischen Bauträgerschaft braucht bei der Prozesssteuerung eine viel intensivere und sehr flexible Zusammenarbeit aller Akteure. Gleichzeitig ist die Bewohnerschaft im Bestandsquartier von Anfang an aktiv mit einzubeziehen, um so eine Akzeptanz und Verankerung für das Vorhaben zu schaffen.
Thematischer Schwerpunkt: Erfahrungs- und Wissenslücken in kleinen Kommunen schließen
Projektbeschreibung: Die Gemeinde Baltmannsweiler als typische kleine Gemeinde mit begrenzten Ressourcen im Ballungsraum von Stuttgart möchte vorhandene Innenentwicklungspotentiale zur Schaffung von gemeinwohlorientiertem Wohnraum ausloten und seine Ortsmitte in ein lebendiges gemischtes Wohnquartier umwandeln. Auf der Basis von Beteiligungsrichtlinien der Gemeinde soll die Bürgerschaft in einem transparenten Prozess einbezogen werden. Gleichzeitig soll dabei der bauliche Bestand (altes Rathaus) einer neuen Nutzung zugeführt und in das neue Quartier integriert werden. Baltmannsweiler hat, wie viele kleine Kommunen, mit Projekten dieser Größe keinerlei Erfahrung und möchte den Prozess wissenschaftlich begleiten und dokumentieren lassen, um daraus einen Instrumentenkasten für andere kleinen Kommunen mit ähnlichen Aufgaben zusammenzustellen (Wissenstransfer).
Thematischer Schwerpunkt: (Wissens)Lücken vermeiden
Projektbeschreibung: Die Wohnungsbau Ludwigsburg GmbH möchte mit 3 weiteren Unternehmen ein altes technisches Gebäude der Infrastruktur (alter Trafoturm) in Ludwigsburg als Azubi-Projekts in eine kleine Wohnung umbauen. Dabei dient er als „Blaupause“ für die Umnutzung weiterer ungenutzter technischer Bestandsgebäude von alter Infrastruktur und realisiert eine Form des „Kleinen Wohnens“. Für den Umbau sollen modulare Bauelemente entwickelt werden, um eine effiziente Flächennutzung zu gewährleisten.
4. Fördertranche „Potenziale aktivieren“
In Nordrach plant ein Architekt und Bauherr ein Wohnhaus mit drei Wohnungen in ökologisch-nachhaltiger Bauweise. Der minimale Einsatz von Stahlbeton, die Zusammenlegbarkeit von Wohnungen, eine PV-Anlage und Bauteile aus regionalem Holz, Lehm und Stroh sind hier zu einem ganzheitlichen Konzept vereint. Der Bauherr hat eine innovative Deckenkonstruktion mit reduziertem Holzverbrauch entwickelt: Die Bauteile sind bereits experimentell erprobt und sollen nun weiterentwickelt und skalierbar gemacht werden. So entsteht ein Beispiel, wie zukünftig einfach, regional, ressourcen- und kostensparend gebaut werden kann.
Die solidarisch leben + wohnen eG will mit dem Projekt „Neustart Tübingen“ innerhalb des Modellquartiers zwischen dem französischen Viertel und dem Quartier „Drei-Höfe“ Wohnraum für 400 Menschen schaffen. Wohnen und Infrastruktur sollen dabei als Gemeingüter betrachtet werden. Soziales Ziel ist ein dauerhaft bezahlbares Wohnen auf Lebenszeit. Vielfalt soll mit verschiedenen Wohnformen und Wohntypologien, gezielter Belegungssteuerung, sozialer Infrastruktur und Gewerbe geschaffen werden. Ökologisches Bauen, Flächensparen und Beteiligungsmöglichkeiten stehen ebenfalls im Fokus. Damit soll eine sozial-ökologische Nachbarschaft gefördert werden.
Mehr Infos: neustart-solewo.de