Bundesrat

„Ein klares und mutiges Zeichen – aber wir können noch mehr tun“

Ministerin Nicole Razavi MdL sprach am Freitag, 11. Juli 2025, im Bundesrat zum geplanten „Wohnungsbau-Turbo“ der neuen Bundesregierung.

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Ministerin Nicole Razavi MdL spricht im Bundesrat

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren!

Es ist gut und wichtig, dass wir heute über den Gesetzentwurf der neuen Bundesregierung zum Wohnungsbau-Turbo beraten können.

Das Scheitern der Ampel hat die notwendigen Erleichterungen im Bauplanungsrecht in der letzten Periode ja leider ausgebremst.

Wir haben dadurch viel wertvolle Zeit verloren.

Und wir müssen schon viel zu lange auf viele Verbesserungen warten, die der Wohnungsbau dringend braucht.

Umso mehr begrüßen wir, dass die neue Bundesregierung und die Koalition jetzt Tempo machen.

Auch deshalb hat dieses Gesetz die Bezeichnung „Turbo“ auch tatsächlich verdient!

Natürlich kann man so einen Gesetzentwurf immer kritisch lesen und Neuregelungen hinterfragen.

Manchem gehen die Regelungen zu weit, manchem nicht weit genug.

Aber ich finde: Dass dieser Turbo jetzt am Start steht und schnell auf die Strecke gehen kann – das ist schon an sich ein klares und mutiges Zeichen.

Denn wenn wir nicht bereit sind, etwas Neues zu wagen,

wenn wir nicht bereit sind, Prioritäten zu setzen und damit zwangsläufig andere Erwägungen zurückzustellen,

wenn wir nicht bereit sind, schnell und entschlossen zu handeln, dann wird der Schaden für den Wohnungsbau, für den Bausektor, und letztlich für die Baukonjunktur so groß sein, dass wir ganz andere Probleme riskieren.

Das Bauen ist insgesamt zu kompliziert und zu teuer geworden. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Ein Faktor sind zweifellos die langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren, die wir konsequent und auf allen Ebenen vereinfachen und beschleunigen müssen.

Ein anderer die vielen Anforderungen aus dem Fachrecht, die Planen und Bauen oft zu einem bürokratischen Hindernislauf machen – so etwa im Naturschutz- oder dem Immissionsschutzrecht.

Auch hier müssen wir flexible Lösungen finden, die das Schutzniveau nicht generell in Frage stellen, aber dennoch die Handlungsspielräume, gerade auch bei der Innenentwicklung, deutlich erweitern.

Und ich denke, wir können auch mutige Schritte vorangehen, wenn wir auf die Vernunft, auf das Augenmaß und die Verantwortungsbereitschaft von Kommunen, Bauherren und Bauwirtschaft vertrauen.

Deshalb ist es richtig, dass bei der Sonderregelung des § 246e BauGB nichts gegen den Willen der Standortgemeinde durchgedrückt werden kann.

Das ist mit dem Erfordernis der gemeindlichen Zustimmung sichergestellt.

Ich bin sicher: Die Gemeinden werden einen guten Umgang damit finden.

Viele werden – etwa unter Heranziehung von integrierten Gemeindeentwicklungskonzepten – klug mit ihrer Veto-Möglichkeit umgehen.

Das schwächt die kommunale Selbstbestimmung nicht! Im Gegenteil: Es hebt sie auf eine neue Ebene und stärkt sie.

So ist die Sonderregelung wirklich etwas Neues und Innovatives: Geschwindigkeit erhöhen und dennoch eine städtebaulich geordnete Stadt- und Gemeindeentwicklung sicherstellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren:

Sehr positiv sehe ich auch die Neuregelungen zur Stärkung der Innenentwicklung in den §§ 31 und 34 BauGB.

Gerade die erleichterten Befreiungsmöglichkeiten von den Festsetzungen eines Bebauungsplans zugunsten der Wohnbebauung in § 31 BauGB begrüße ich sehr.

Hier hatte die Bauministerkonferenz schon 2022 die Erweiterung des Anwendungsbereichs auf Kommunen auch außerhalb der sog. Gebietskulisse (des angespannten Wohnungsmarkts) ausdrücklich gefordert.

Ich habe mich auch ganz persönlich für diese Erweiterung stark gemacht.

Es ist erfreulich, dass der Bund hier Vorschläge der Länder aufgreift.

Auch das Absehen vom Einzelfallerfordernis in den genannten Vorschriften 31 und 34 BauGB begrüße ich sehr!

Gerade dieses Erfordernis hatte oftmals eine Befreiung und letztlich die Schaffung von Wohnraum in größerem Rahmen verhindert.

Richtig ist auch, dass die zunächst vorgesehene Veröffentlichungspflicht von erteilten Befreiungen wieder entfallen ist, weil dies einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand bedeutet hätte.

Überhaupt muss für uns gelten: Keine, auch keine gut gemeinten, bürokratischen Hürden – sonst wird der Turbo nicht zünden!

Das muss auch ganz generell die Linie sein.

Und der Bauturbo gibt diese Richtung entschlossen vor.

Danach muss es aber weitergehen!

Denn die vorgesehenen Regelungen werden allein nicht ausreichen, dass der Wohnungsbau-Motor wieder anspringt und Drehmoment bekommt.

Wir können noch mehr tun, um den Herausforderungen auf den Wohnungsmärkten aus bauplanungsrechtlicher Sicht begegnen zu können.

So müssen nach meiner Auffassung vor allem endlich Nutzungskonflikte zwischen lärm- oder geruchsintensiven Nutzungen und heranrückender Wohnbebauung unbürokratisch und rechtssicher bewältigt werden können.

Hier ist auch der Wohnungsbau-Turbo noch nicht bei einer durchgreifenden und insoweit überzeugenden Lösung angelangt.

Das zeigt auch die Vielzahl der entsprechenden Änderungsanträge hier in diesem Hause.

Hier ist aus meiner Sicht eine weitergehende, praxistaugliche Flexibilisierung im Immissionsschutzrecht nötig, damit der Wohnungsbau auch außerhalb der Bauleitplanung erleichtert wird.

Zudem muss auch für dörfliche Gemengelagen mit Geruchsemissionen eine Lösung gefunden werden, die wir dem Turbo schnell nachschieben müssen.

Ein denkbarer Ansatz wäre hier, durch individuelle Vereinbarungen von immissionsschutzrechtlichen Standards abweichen zu können, damit Wohnbau-Vorhaben trotz Überschreitung der Immissionswerte realisiert werden können.

Das würde ein gutes Miteinander von Wohnraum und landwirtschaftlichen Betrieben ermöglichen.

Ein konkreter Umsetzungsvorschlag hierfür liegt mit unserem Entschließungsantrag vom Mai 2024 auf dem Tisch.

Und ich möchte die Bundesregierung ermutigen, diesen Vorschlag bei der anstehenden großen Novelle des BauGB aufzugreifen.

Ich will also zusammenfassen:

Der Wohnungsbau-Turbo ist ein erster, entscheidender Schritt, mit dem jetzt zügig baurechtliche Erleichterungen zugunsten des Wohnungsbaus möglich werden.

Die weiteren notwendigen rechtlichen Änderungen zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung müssen im Anschluss unter Einbeziehung der Länder angegangen werden.

Hierzu stehen wir weiterhin bereit und bringen uns engagiert ein.

Vielen Dank!